Es gibt Schlüsselerlebnisse, die verändern den ganzen Blick auf das Leben. Sich verlieben, Heiraten, Kinder bekommen, neue Jobs, und ja - Krankheiten. Plötzlich rückt alles in einen anderen Fokus.
Mein Schlüsselerlebnis war der 04.10.2012 - morgens so um 9, als meine endgültige Diagnose mit ALL feststand.
Da trat die Stationsärztin auf mich zu mit einem Aufklärungsbogen. Haben wohl die meisten, die schon mal eine OP hatten oder im Krankenhaus eine Behandlung bekommen haben auch schon gesehen. Da steht dann drauf, was gemacht wird, welche Medikamente gegeben werden und welche Nebenwirkungen auftreten können. Das wird im Laufe eines Aufklärungsgesprächs mit dem Arzt alles erklärt, man kann Fragen stellen etc. Die Ärztin kam schon mit einem ausgefüllten Bogen zu mir und ich hab dann, als sie ansetzen wollte alles zu erklären gefragt, was passieren würde, wenn ich die Behandlungsaufklärung ablehnen würde (und damit die Behandlung nicht stattfinden würde). "Wir geben dir 3-6 Wochen" - war die erstmal lapidare (auch wenn sie das nicht war) Antwort.
BUMMM
Nun stehst du da. Ich für mich persönlich habe dann für mich - sofort - entschieden, wir brauchen nicht weiter machen, ich unterschreibe und wir legen los.
Aber dann sitzt du alleine (auch wenn Katrin da war, aber das ist was, was jeder mit sich selbst ausmachen muss) da und musst damit fertig werden, wieviel Glück du eigentlich hattest. Man stelle sich vor ich wäre erst 14 Tage später beim Arzt gewesen. Es hätte in der Zeit alles passieren können (bis zum Tod) - und auch meine Behandlungschancen wären wesentlich schlechter gewesen.
Plötzlich rücken Dinge von einem ab, die vorher wichtig waren. Scheiss auf das neue Auto - warum hab ich immer nur gesagt "ich möchte das und das gerne mal machen" - warum hab ich auf dem Sofa gesessen und gelesen, Computer gespielt, gefaulenzt, anstatt mit meinen Kindern zu kuscheln, spielen, vorgelesen, was SIE gerade machen wollten.
Zeit wird auf einmal wertvoll. Ich erinnere mich an ein Gespräch beim Gruppencoaching und bei Mittagessen mit Fred, und auch mit Wolfram und Gabi und Frank - jeder von uns hatte Schlüsselerlebnisse, die die Sicht verändern - erst JETZT - nach 6 Monaten Krankheit kann ich Euch wirklich verstehen. Mir geistern diese Gedanken nun schon 1-2 Monate im Kopf herum, aber ich brauchte Zeit.
Bei mir wird es jetzt nicht mehr heißen, hätte ich doch mal das gemacht. Wenn ich etwas machen möchte, werde ich es machen, anpacken oder in die Planung gehen es zu tun. Wem nützt es was, wenn ich es gerne getan hätte, aber dann nicht mehr konnte?
Der große Wunsch meiner Kinder ist es, mal mit dem Flugzeit zu fliegen - und damit wird es auch zu meinem Herzenswunsch. Also plant Jens für die Zeit nach der Krankheit (das wird wohl erst 2015 was werden) aber schon mal.
Jeder von Euch hat die Chance, das zu tun, was er schon immer mal machen wollte. "Getting Things Done" - ist zwar eine Zeitmanagementmethode, aber man kann es auch wörtlich nehmen. Ist es dir wichtig, mach es einfach und rede nicht nur darüber.
Genießt das Leben war ihr jetzt habt, es kann kurz genug sein und wenn ihr dann (auch wenn das jetzt klischeehaft klingt) auf dem Sterbebett liegt und denke - warum hab ich nicht, dann habt ihr einen Fehler gemacht. Heute ist der Tag, um es anzupacken und die Dinge zu tun, die ihr schon immer tun wolltet.
Get it Done!
Carpe Diem
Jens